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Sie wollte nur Urlaub in Brasilien machen!

Ipanema Beach in Rio de Janeiro
Was sie in Rio erlebte, veränderte ihr Leben...

Sie wollte nur Urlaub in Brasilien machen!

Sie kam, sah und war verloren – so ist diese Liebeserklärung an Rio de Janeiro zusammenzufassen. In einem hinreißenden Liebestaumel werden die schönsten Sehenswürdigkeiten in Rio de Janeiro wie die Copacabana, der Strand Ipanema und der Zuckerhut auf wundersame Weise zu Botschaftern einer kostbaren Liebe. Besonders das Ende der Geschichte hat mich zu Tränen gerührt!

Mein Rio de Janeiro, werde ich Dir mit dieser Anrede überhaupt gerecht? Du hast mein Leben verändert. Hast mich mit Sonne, Strand und Meer verführt. Mich mit Deinen Ipanema Cocktails willenlos gemacht und mit einem eindeutigen Antrag zum Bleiben aufgefordert. Kann ich Dein Werben um mich anders verstehen? Oh Du, mein liebstes Rio de Janeiro!

Ich begegnete Dir unvoreingenommen. Urlaubsgeschichten aus Rio de Janeiro, der pulsierenden Stadt in Südamerika, voller Leben, voller Kontraste, habe ich wahrgenommen, aber unbewertet belassen. Schon so oft wurde ich enttäuscht. Auch all die anderen Städte, die ich während meiner Südamerika Rundreise kennenlernte, waren voller Versprechen von Kunst, Kultur und Lebensfreude. Auf meine Zurückhaltung warst Du vorbereitet, wolltest, dass wir uns langsam aneinander herantasten.

So zeigtest Du Dich mir erst von Deiner keuschen, Deiner christlichen Seite: Mit der Christusstatue auf dem Corcovado wolltest Du mir auf eine zurückhaltende Art imponieren. Liebes Rio de Janeiro, lass Dir sagen: Mit einer Höhe von 30 Metern, einer Spannweite von 28 Metern und einem Gewicht von 1.145 Tonnen kann man nicht zurückhaltend imponieren. Niemand kann das. Dieser Versuch ging gründlich daneben. Doch auch, wenn Du hier eine gewisse Ungeschicklichkeit an den Tag legtest, musste ich über Deine kindliche Naivität schmunzeln. Im Nachhinein betrachtet war es vielleicht genau dieser etwas holprige Beginn, mit dem Du mein Herz gewonnen hast. Doch das Beste hast Du Dir ja bis zum Schluss aufbewahrt...!

Du merktest sofort, dass Du mir nun etwas anderes bieten musstest. Du wolltest mir von Deiner brasilianischen Lebensfreude, Deinem kontrastreichen Charakter, Deiner Heiterkeit zeigen. Und führtest mich zur Copacabana. Ja, liebes Rio de Janeiro, hier kamen wir der Sache näher. Was wollte ich noch mehr? Ich war in Südamerika, ich war am Strand, die Sonne schien. Schon dachte ich, sämtliche Rio de Janeiro Sehenswürdigkeiten können mir gestohlen bleiben. Hier bleibe ich, an der Copacabana. Einer der „bekanntesten Stadtteile in Rio de Janeiro in der Zona Sul, der direkt zwischen dem Atlantik und den mit Favelas bevölkerten Granitfelsen liegt und über einen vier Kilometer langen Sandstrand verfügt." (Quelle: Wikipedia) Hier wo sich die Bevölkerung der Copacabana „zu Meinungsaustausch, Karten- und Brettspielen trifft." (Quelle: Wikipedia)

Doch sollte das schon alles von meinem Rio de Janeiro Urlaub gewesen sein? Nein, da musste noch mehr sein. Und nach der ersten Faszination empfand ich die vielen Touristen an der Copacabana störend. Ich fing an, mich für Dich zu interessieren und wollte mit Dir Ruhe finden, Deinem Charakter näher kommen. Wer bist Du wirklich, Rio de Janeiro? Was treibt dich an? Und während ich noch darüber nachdachte, überquerte ich bereits die Grenze zum benachbarten Strand Ipanema. Eine beeindruckende Promenade mit zahlreichen Cafés und kleinen Restaurants bot sich meinen staunenden Blicken. Ich gönnte mir einen Ipanema Cocktail und prostete Dir zu. Das war schön, mein liebes Rio, und ich danke dir für den wertvollen Einblick in eines Deiner gehobenen Stadtviertel.

Doch langsam bekam ich Zweifel. Spürtest Du nicht meinen Drang, Dir näher zu kommen? Ich frage Dich, Rio de Janeiro, täuschte ich mich in Dir? Auch wenn Ipanema ein ruhigerer Strand als die Copacabana ist: von Ruhe und einsamer Idylle war auch hier nur wenig zu spüren. Beruhte mein Verlangen nicht auf Gegenseitigkeit? Was wolltest Du mir sagen mit Deinen Bemühungen, mir Deine Lebenslust zu demonstrieren? Fragen über Fragen, die mir umso mehr Kopfzerbrechen bereiteten, als das unsere nächste gemeinsame Station der Karneval in Rio war!

Es war Freitag vor Aschermittwoch, der offizielle Beginn des legendären Karneval in Rio. Und nun war es um mich geschehen. Liebes Rio, romantische Zweisamkeit mussten wir auf später verschieben. Mein Herz pochte, Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich war von Sinnen, in euphorischem Jubel, taumelnd vor Glück: Noch nie wurde mit einer solch aufwendigen Kulisse, mit solch unvergleichlicher Liebesmüh um mich geworben. Die wahnsinnigsten Kostüme, farbenfrohe Wagen, sexy Brasilianerinnen – die ganze Stadt im Partyrausch! Wie eine Droge wirkten Deine Samba-Rhytmen auf mich. Ein Fasching, wie ich ihn noch nie zuvor erlebte. Ich war auf glücklichste Weise verloren. Verloren in diesem Festzug der Sambaschulen, einem der größten Feste der Welt. Und das alles nur für mich? Oder treibst Du - mein liebes Rio de Janeiro - für jedes Deiner Opfer einen solchen Aufwand, nur um Dich später in der Anbetung zu sonnen. Oh Rio, willst Du eigentlich nur Deinem Ego schmeicheln? Sag mir die Wahrheit, noch kann ich zurück!

Deine Antwort kam prompt. Es ist, als könntest Du meine Gedanken lesen: Endlich gönntest Du mir Deine Nähe, ließest mich ganz nah an das Innerste des wahren Rio heran. Über die Praia Vermelha im Stadtteil Urca führtest Du mich zu einer Gondelbahn. Ich schwebte empor und erstarrte vor Ehrfurcht bei dem Anblick des mächtigen Gebirges vor mir: der Zuckerhut. Schwebend, federleicht, umnächtigt von dem Gedanken, hier mit meinem Rio de Janeiro mein innerstes Glück zu finden, ließ ich mich von Dir behutsam bis zum Gipfel führen. Oben angekommen bot sich mir ein atemberaubender Ausblick. Die klare Sicht auf das erwachende Nachtleben unter uns und ein Sonnenuntergang der vergeblich seinesgleichen sucht: Prickelndes Wohlbefinden breitete sich in mir aus. Mein Rio, auf dem Zuckerhut waren wir uns so nah, ich konnte Deinen Atem spüren.

Mein liebes Rio de Janeiro, nie werde ich vergessen, wie Du zu einem finalen Schlag ausholtest und jeglichen Zweifel von mir nahmst. Noch heute spüre ich die warmen Tränen auf meinen glühenden Wangen, als Du um meine Hand anhieltest. Hier standen wir, in der Igreja da Candelaria in der Avenida Getulio Vargas. In der schönsten Kirche, die Du, liebes Rio de Janeiro, zu bieten hast. Die imposanten Marmorbauten und beeindruckenden Malereien lassen wohl jeden ihrer Besucher vor Ehrfurcht innehalten. Wen wundert, dass hier die prächtigsten Hochzeiten stattfinden? Verzweifelt vor Glück fiel ich in Deine Arme, endgültig in Deinen Bann entrückt. Du hieltest mich, wartetest voller Liebe und Zuneigung auf mein „Ja, ich will!"

Mein liebes Rio, ich bitte Dich, verstehe mich. Sehr wohl beruht unsere Zuneigung auf Gegenseitigkeit. Auch ich bin Dir verfallen und kann mich kaum lösen. Doch gibt es etwas in dieser Welt, dass selbst Du in Deiner unendlichen Schönheit mir nicht bieten kannst: Mein wunderbarer Mann und meine reizenden Kinder warten auf mich in München. Und dahin gehört mein Herz!

Michael Jackson und Olodum

Michael Jackson Statue in Rio

Michael Jackson: Videodreh in einer der ärmsten Favelas von Rio

Michael Jackson und Olodum

Rio de Janeiro war schon immer eine Stadt der krassen Gegensätze. Abseits der Traumstrände von Copacabana und Ipanema, dem Zuckerhut und der Christusstatue befinden sich auf dem Stadtgebiet der brasilianischen Metropole über 500 Favelas. Von einer dieser Favelas, der hochgelegenen Dona Marta bietet sich ein besonders spektakulärer Ausblick auf Rio de Janeiro und seine Wahrzeichen.

1995 lädt Michael Jackson die brasilianische Percussion-Truppe Olodum ins Studio ein. Die Bandmitglieder erzählen viel von ihrer Heimat, einige von ihnen kommen eben aus jener berüchtigten Favela Dona Marta, hoch über Rio. Kein Wunder also, dass sich Michael Jackson am 11. Februar 1996 just für diesen Ort für seinen Videodreh zu "They Don't Care About Us" entscheidet. Trotz, oder gerade weil die Dona Marta zu jener Zeit zu einem der gefährlichsten Stadtviertel der Welt zählt. Denn Michael Jackson ging gerne dorthin wo es wehtat, um seine Botschaft rüberzubringen. Passend zum Text seines Protestsongs gegen soziale Ungerechtigkeit – inszeniert von keinem Geringeren als Starregisseur Spike Lee.

Dreharbeiten mit Startschwierigkeiten

Zunächst hatte nichts darauf hingedeutet, daß Michael Jackson jemals hier drehen würde. „Zu gefährlich“ befand sein Management. Außerdem verweigerte der Gouverneur von Rio anfangs die Einreisegenehmigung, schließlich stand die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2004 bevor. Da war ein Video, das die sozialen Missstände zeigt alles andere als förderlich. Nachdem sich aber auch die brasilianische Fußball-Legende Pelé für Jackson stark machte, konnte die Regierung ihre Zustimmung nicht länger verweigern. Zu guter Letzt musste nur doch die örtliche Drogenmafia überzeugt werden, indem man diese mit genug Geld schmierte. Die vielen kleinen Drogendealer vor Ort waren mit weniger zufrieden: Spike Lee drückte jedem von ihnen 50 Dollar und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Michael Jackson Security“ in die Hand, schon waren sie als Bodyguards rekrutiert.

12.000 Menschen lebten zu jener Zeit in Rio's Dona Marta auf engstem Raum und kämpfen täglich ums Überleben. Elektrisches Licht, fliessendes Wasser und Müllentsorgung: Fehlanzeige. Es wird noch Jahre dauern, bis diese Errungenschaften der modernen Zivilisation hier Einzug halten. In der Zwischenzeit schlafen die Bewohner in ihren rostigen Blechhütten auf dem Boden und ertragen den überall herrschenden Gestank. Michael Jackson ist entsetzt von den Zuständen.

Michael, willkommen in einem anderen Rio de Janeiro

Aus Sicherheitsgründen kommt er per Hubschrauber eingeflogen. Indes ist das Gedränge bei den Bewohnern sehr groß, um einen Blick auf den King of Pop zu ergattern. Sie skandieren „Mi-chael! Mi-chael!“ Auch das Polizeiaufgebot ist riesig – eine Hundertschaft schwerbewaffneter Militärpolizisten sorgt dafür, dass Jackson kein Haar gekrümmt wird, keine leichte Aufgabe in dieser brandgefährlichen und zu dieser Zeit noch von der Drogenmafia regierten Favela. Eine absolute „No-go-Area“ für Touristen. Doch die Einheimischen begrüßen Michael Jackson friedlich, ja euphorisch: "Willkommen in der Welt. Nicht in der wunderschönen, aber der bescheidenen Welt der Armen" steht auf den selbst gemalten Bannern sinngemäß.

Jackson gibt sich volksnah, er winkt den rund um den Drehort versammelten Schaulustigen zu, geht zu ihnen und umarmt sie. Auch seine Kleidung sagt: „ich bin einer von euch“ – neben einer alten Jeans trägt er ein weißes T-Shirt mit dem Logo der lokalen Percussiongruppe Olodum, die Jackson im Video tatkräftig begleitet.

Als Spike Lee „Action!“ ruft, fällt die Klappe und Jackson legt los. Immer wieder ballt er entschlossen die Faust und singt dazu mit entschlossenem Gesichtsausdruck in Richtung Kamera: "Hit me, kick me, you can never get me. All I wanna say is that they don't really care about us". Am Ende und als Höhepunkt dieser Szene schließlich zerreißt er sich sein T-Shirt - eine symbolische Geste der Befreiung - unter lautem Johlen der Menge.

Michael Jackson Statue in Rio eingeweiht

Ein Jahr nach dem Tod von Michael Jackson - am 26 Juni 2010 - wurde an Ort und Stelle der Dreharbeiten in Dona Marta eine lebensgroße Statue eingeweiht. Nicht zuletzt um seine finanzielle Unterstützung der Bewohner der Favela zu würdigen. Die bronzene Figur steht auf einer neu geschaffenen Aussichtsplattform auf dem Dach des örtlichen Kulturzentrums. Der Platz wurde eigens in „Michael-Jackson-Platz" umbenannt.

Wer das Video „They don't care about us“ heute ansieht, wird erkennen, dass sich seit 1996 viel in Rio getan hat. Die Hütten sind bunt statt grau, ein Abwassersystem wurde installiert. Mittlerweile kommen sogar viele Touristen hierher und machen Selfies von sich und der Statue. Die Dona Marta ist mittlerweile fast so etwas wie eine Vorzeige-Favela von Rio geworden, größtenteils friedlich und erschlossen.

Mehr zum Thema:

Youtube - Michael Jackson - They Don’t Care About Us (Brazil Version) (Official Video - Copyright Michael Jackson

Youtube - Olodum Salvador Bahia HD - Copyright Logos Aachen

Leben in Favelas - Willkommen in der Realität

Favela da Rocinha in Rio de Janeiro

Touristen bummeln durch Slums von Rio?

Leben in Favelas
Willkommen in der Realität

Beim ersten Anblick besteht Rio de Janeiro nur aus Ipanema und Copacabana, aus Strand und Samba. Doch nicht weit der langen Traumstrände zeigt die Großstadt sein hartes und trauriges Gesicht.

Was sind eigentlich Favelas?

In den Außenbezirken der Metropole und an den Hängen über den Stränden wohnen tausende Einwohner in illegal errichteten, einfachen Siedlungen. Es sind die Favelas. Diese Armenviertel und die „normalen“ Viertel sind wie vollkommene Kollision von zwei verschiedenen Welten. Infrastruktur, Bildung, medizinische Versorgung und die meisten Dinge des täglichen Lebens in Favelas befinden sich in einem schlechten Zustand. Viele Bewohner haben kein fließendes Wasser und benutzen Gemeinschaftstoiletten. Die meisten Menschen hier sind nicht offiziell angemeldet und besitzen keine Staatsbürgerschaft sowie verfügen nicht über legalen Grundbesitz und dürfen die damit einhergehenden Vorteile wie das Gesundheitswesen nicht in Anspruch nehmen. In den Favelas von Rio gibt es keine Gesetzte außer die Rechte der Drogenhändler, die die meisten Armensiedlungen kontrollieren. Gewalt und Maschinenpistolen sind an der Tagesordnung, und obwohl man hier nicht hungern muss und ein Dach über den Kopf hat, werden jede Woche Menschen in den Straßen der Favelas umgebracht.

Befriedung von Favelas

Blutige Morde, Drogenbanden - wahrscheinlich kaum ein anderer Ort repräsentiert mehr Armut, Elend, Gewalt und Drogen in Südamerika als die Favelas, die bisher oft von Drogengangs beherrscht wurden. Die brasilianische Militärpolizei hat als dauerhafte Präsenz des Staates Spezialeinheiten zusammengestellt, um die Armenviertel zu befrieden, sie von den Drogenbanden zurückzuerobern und in die Gesellschaft zu integrieren. Seit 2008 stationieren in den Favelas von Rio de Janeiro 36 der „Friedenschaffenden Polizeieinheiten“ (UPP - Unidade de Polícia Pacificadora).

Im November 2011 wurde die Siedlung Rocinha befriedet. Die Polizei hat vor der Aktion eine Erklärung abgeben zusammen mit der Warnung, dass im Viertel alle Drogen beschlagnahmt werden. Einige Wochen später rollte die Polizei mit Panzern ein und besetzte das Gebiet der Rocinha. Diese abenteuerlich wirkende Befriedung fand bei großen Anklang in vielen weiteren Favelas statt. Leider ziehen sich die Drogenhändler dann jedoch nur in andere Armenviertel zurück und setzen ihre brutalen Praktiken fort. Obendrein werfen Kritiker dem Staat vor, dass die bisher besetzten Favelas in Rio entweder mitten in der wohlhabenden Südzone und an Stränden oder in der Nähe strategisch wichtiger Orte wie Flughafen, Fußballstadion oder dem Hauptbahnhof liegen.

Erkundung von Favelas

Rocinha ist die zweitgrößte Favela in Südamerika, mit einer Bevölkerung von bis zu einer Million. Offiziell hat sie ca. 70.000 Einwohner doch es ist unmöglich genau einzuschätzen, weil die Bewohner der Favelas offiziell nicht angemeldet sind. In Rio de Janeiro existieren mehrere Gebiete, in denen verschiedene Armenviertel sich so stark vergrößerten sind, dass sie mittlerweile riesige geschlossene Gefüge von Siedlungen bilden, die von außen nur noch als eine einzige Favela erkennbar sind. Zum Beispiel die Complexos da Maré und do Alemão im nördlichen Teil von Rio de Janeiro nehmen bei extrem dichter Bebauung jeweils bis zur dreifachen Fläche der Rocinha ein. Man zählt in der Metropole 1.000 Favelas. 22 Prozent der Einwohner, fast ein Viertel der Stadtbevölkerung, lebt in Armenvierteln.

Es ist sehr schwer, Favelas von Rio de Janeiro zu erforschen. Aber inzwischen gibt es auch Teams aus jungen internetaffinen Bewohner der Armenviertel, die an Kartierung von Favelas arbeiten. In einem kurzen Workshop lernen sie, wie man mit dem Handy Fotos und Videos aufnimmt sowie mit einer App umgeht, mit der später Fotos und Informationen verortet werden. Mit Initiativen wie „Tá no mapa“ („Es ist auf der Karte“) oder „Wikimapia“ haben sie eine virtuelle Karte ihrer Siedlung erstellt, die einen Überblick über Straßen, Sehenswürdigkeiten, Kirchen, Krankenhäuser, Schulen, Bushaltestellen, Restaurants, Bars, und Läden in Favelas verschaffen. Dieser virtuelle Stadtplan dient als Existenzbeweis, weil bisher die Favelas als Schandflecken von den offiziellen Stadtkarten von Rio de Janeiro verbannt wurden, sogar von Google Maps. Als Google die Armenviertel plötzlich anzeigte, war das für viele ein Schock: auf der Karte von Rio tauchten überall Favelas auf und lenkten optisch von den bekannten Stadtvierteln und Sehenswürdigkeiten wie Zuckerhut oder Christusstatue ab. Aus diesem Grund agitierte die städtische Tourismusagentur dagegen und setzte durch, dass der Begriff „Favela“ größtenteils von Google Maps gelöscht wird. Die meisten Armensiedlungen werden lediglich mit ihrem Namen angezeigt, oder mit dem Begriff Morro(Hügel) davor. Morro ist zwar ein brasilianisches Synonym für Favela, wird aber kaum von Ausländern verstanden.

Leben in Favelas

Die Lebensqualität gestaltet sich in den einzelnen Favelas durchaus unterschiedlich und man lebt nicht ausschließlich in Wellblechhütten, sondern in echten Häusern, die je nach Familienzuwachs aufeinander gebaut werden. Die neuen Häuser werden jedoch oftmals an unbefestigten Hängen errichtetet und jährlich gibt es in Favelas von Rio de Janeiro bei mehreren Erdrutschen und Hauseinstürzen infolge starker Regenfälle mehr als 100 Todesfälle. Die Straßen sind wirr angeordnet und an den Straßenseiten wird von lebenden Tieren bis hin zu billigen Uhren alles verkauft. Doch es gibt auch richtige Unternehmen - allein in der Rocinha 6.000 Geschäfte und kleine Firmen. Die Einwohner der Favelas haben sich nämlich ihre eigenen internen Strukturen aufgebaut - mit Haarsalons, Internetcafés, Läden, Restaurants und Bars. Die kleinen Unternehmen müssen sich erst daran gewöhnen, jetzt Steuern zu zahlen. Die Zeit, während der Bewohner der Armenviertel sich ohne Dienstleistungen vom Staat alles irgendwie organisieren musste, geht in vielen Favelas zu Ende. Jetzt sollen Infrastrukturmaßnahmen sowie Bildungs-, Sport- und Kulturangebote den Umschwung in den Favelas bringen.

Slums von Rio als Touristenattraktion

Favela als Touristenziel

Inzwischen werden auch Touristentouren in Favelas von Rio organisiert. Sie bieten die Möglichkeit an, Brasilien wirklich hautnah zu erleben und einen respektvollen Einblick in das Leben in den Armenviertel zu werfen, den man nicht wie „arme Leute anschauen“ aus Neugier und Abenteuerlust empfindet. Möchte man sich für eine solche Tour entscheiden, sollte man Angebote nutzen, die mit ihren Einnahmen die gemeinnützige Organisation Para Ti unterstützen. Dadurch erhalten die Kinder aus den Favelas mindestens eine warme Speise täglich und können sich unbeschwert ihren Beschäftigungen widmen: in die Schule gehen sowie spielen, lachen und herumalbern. Auch Rocinha ist zum beliebten Touristenziel in Rio de Janeiro geworden. Von privaten Besuchen in die Favelas wird aber durch das Auswärtige Amt abgeraten. Die Favelas sollten ausschließlich in Form von geführten Touren zusammen mit Ortskundigen besucht werden.