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Urlaub in Rio – Chöre als etwas andere Sambaschule

Folgen Sie den Fährten zum Chorgesang in Rio de Janeiro

Singen in Rio de Janeiro

Urlaub in Rio – Chöre als etwas andere Sambaschule

Beim Urlaub in Rio kann man auch in einem Chor singen – eine ganz eigene Erfahrung.

Die positiven Aspekte des Gesangs für soziale Zwecke nutzbar machen

Denkt man an Urlaub in Rio, hört man schon Sambaklänge, Trommeln und sieht ekstatisch tanzende Menschen vor dem geistigen Auge. Was aber ist in Sachen Chorgesang in Rio angesagt? Und was könnten soziale und gesellschaftliche Funktionen eines Chores sein, der in einem der Favela in Rio gegründet wurde? Als passionierte Sänger im heimischen Chor in München wollten wir wissen, ob wir auch musikalisch Neues (vielleicht Südamerikanisches?) in Rio finden können. Insbesondere die soziologische und gesellschaftliche Rolle der Musik verspricht Interessantes.

Wir haben uns mit Lilian Zamorano ausgetauscht, die – selber aus Brasilien nach Deutschland kommend – vor vielen Jahren die Chorkultur in Deutschland kennenlernte und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Chören dies- und jenseits des Atlantik selber erfahren hat. Auf den ersten Blick geht es natürlich ums Singen – um das Singen im Chor. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Musik im Chor und Chorgesang als solcher ist so viel mehr als die Stimme im Gesamtklang, Tonleitern, Rhythmik, Metrum, Tonumfang oder Agogik...

Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Chorgesang in Rio de Janeiro und München

Das erste, was auffällt, wenn man zu einer Chorprobe eines in Rio ansässigen Chores kommt, ist die Leichtigkeit, mit der hier musiziert wird. Nimmt man es in Deutschland vergleichsweise genau (Stichwort Pünktlichkeit!), steht hier die Leichtigkeit der Musik, deren die Stimmung aufhellende Wirkung und der Genuss der gemeinsamen Musik im Vordergrund.

Lilian, die drei Chöre in München leitet, kennt diese Unterschiede bei den Chören aus eigener Erfahrung. Die gebürtige Brasilianerin studierte bei der Universidade de Campinas, São Paulo, Komposition und Dirigieren mit Schwerpunkt Chorleitung. Lilian nennt vor allem den Chor der Deutschen Schule in Rio, Ação pela música, unter der Leitung von Fiorella Soraes, wenn es darum geht, einen Chor in Rio de Janeiro zu empfehlen. Aus eigener Erfahrung weiß Lilian, wie schwer es sein kann, Chorgesang von Grund auf in einem neuen Umfeld zu etablieren. Schließlich war sie bei Ihrer Ankunft in Deutschland in genau dieser Situation. Da hilft es natürlich, wenn schon einige Strukturen (Räume, interessierte Menschen, Musikinstrumente) z. B. durch den etablierten Schulbetrieb vorhanden sind. Verbindung brasilianischer Chöre zu Deutschland sind vielfältig und beidseitig nutzbringend.

Die Deutsche Schule Rio de Janeiro gehört zu den mehr als 140 Deutschen Auslandsschulen, die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes im Auftrag des Auswärtigen Amts und unter Mitwirkung der Länder personell, finanziell und pädagogisch betreut werden. Die ZfA verstärkt die qualitätsorientierte Schulentwicklung und unterstützt die Gründung neuer Schulen mit deutschem Profil. Sie berät lokale Schulen beim Aufbau des Deutschunterrichts und bei der Einführung deutscher Schulabschlüsse nach internationalen Standards.

Musik bereichert die Leben der Lernenden, und die Erfahrungen, die in der deutschen Schule in Rio de Janeiro mit der musikalischen Arbeit gemacht wurden, sind überaus positiv. Solche Chöre haben in Rio de Janeiro vor allem auch eine starke soziale Funktion. Durch die Regelmäßigkeit, Struktur und die Zuwendung, die die Kinder und Jugendlichen in Chören erfahren, wird die oft harte Realität durchbrochen und die Lebenswirklichkeit aufgehellt.

Musik in den Favelas

Musik in den Favelas kann dabei helfen, Wege aus dem Teufelskreis von Armut, Drogen und Hoffnungslosigkeit zu ermöglichen. Ein gutes Beispiel ist der Chor 'Rocinha' aus Rio de Janeiros Armenviertel. Bei einem Urlaub in Rio de Janeiro sollten Gesangsbegeisterte versuchen, eine Chorprobe oder eine Aufführung des Chores zu erleben. In Deutschland existiert auch ein Verein (Hoffnungsklänge), der die Arbeit der Musikschule unterstützt, und man kann auch unter Musikschule Rocinha Spenden platzieren, um zu helfen.

Soziale Funktion des Gesangs

Durch die vielfältigen Aufgaben, die das regelmäßige Singen in einem Chor mit sich bringen, werden ganz unterschiedliche soziale Kompetenzen der jungen Sängerinnen und Sänger gestärkt. Gemeinschaftssinn, Übernahme von Verantwortung, Genauigkeit und Selbstbeherrschung gehören ebenso dazu, wie die Erweiterung musikalischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Oft ist es für Heranwachsende der erste Kontakt mit anderen Jugendlichen, die nicht im direkten schulischen Umfeld angesiedelt, sondern in einer Freizeitbeschäftigung begründet sind. Wichtige soziale Funktionen wie Selbstbewusstsein, soziale Kompetenz und positive Rückmeldungen sind auf diese Weise möglich.

Positive Folgen des Chorsingens

Die positiven sozialen Folgen des Chorsingens zeigen sich bei der Musikschule Rocinha sehr deutlich: Viele SchülerInnen, die die Musikschule Rocinha durchliefen, haben viele eine echte Lebensperspektive gefunden. Ein Ausweg aus der negativen Abwärtsspirale von Armut, Arbeitslosigkeit und möglichen Drogenkarrieren.

Lehrpersonal, das dringend gebraucht wird

Die positiven Folgen des Singens für die Gesellschaft in den unterprivilegierten Kreisen Rio de Janeiros zeigen sich in der gestiegenen Anstellung der Absolventen der Musikschule Rocinha in den letzten 15 Jahre. Elf besonders talentierte SchülerInnen sind heute als MentorInnen bei der Musikschule beschäftigt. Dabei studieren neun dieser Ehemaligen heute Musikerziehung.

Soziale Komponenten von Choraktivitäten

Die soziale Komponente der Choraktivitäten ist insbesondere deshalb interessant, weil die Gesellschaft durch den Gesang in Chören profitiert. Durch die soziale Einbindung werden Kriminalität und Drogenkonsum tatsächlich eingeschränkt und zurückgedrängt. Oft wird durch die beispielhafte Lehrtätigkeit von ursprünglich auch aus der Musikschule des Favela Rocinha stammenden Lehrpersonals eine Vorbildfunktion für die Heranwachsenden geleistet, denen Schüler nacheifern können. Sie sehen die positiven Folgen der Ausübung von Musik – insbesondere des Singens in einem Chor - und sehen, dass die Beschäftigung mit dem Singen auch auf professioneller Ebene Lebensunterhaltssicherung und Lebensfreude gleichermaßen bescheren.

Eigener Nachwuchs

Elf besonders talentierte SchülerInnen sind heute als MentorInnen bei der Musikschule beschäftigt. Dabei studieren neun dieser Ehemaligen heute Musikerziehung. Die soziale Komponente der Choraktivitäten ist insbesondere deshalb interessant, weil die Gesellschaft durch den Gesang in Chören profitiert. Durch die soziale Einbindung werden Kriminalität und Drogenkonsum tatsächlich eingeschränkt und zurückgedrängt. Oft wird durch die beispielhafte Lehrtätigkeit von ursprünglich auch aus der Musikschule des Favela Rocinha stammenden Lehrpersonals eine Vorbildfunktion für die Heranwachsenden geleistet, denen Schüler nacheifern können. Sie sehen die positiven Folgen der Ausübung von Musik – insbesondere des Singens in einem Chor - und sehen, dass die Beschäftigung mit dem Singen auch auf professioneller Ebene Lebensunterhaltssicherung und Lebensfreude gleichermaßen bescheren.

Im Urlaub 'Samba a cappella' erleben

Wer gerne seinem Urlaub am Zuckerhut ein musikalisches Zwischenspiel gönnen möchte, ist mit einem Besuch der Musikschule Rocinha sicher bestens bedient. Den Kontakt zur Musikschule finden Sie hier:

Av. Niemeyer, 776 - 17° andar , São Conrado, Rio de Janeiro – RJ, Brasil, CEP 22450-221.
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Tel.: (21) 3322-6358

Wandern auf dem Morro Dois Irmãos

Wandern auf dem Morro Dois Irmãos

Erlebnis Bergwandern in Rio de Janeiro

Wandern auf dem Morro Dois Irmãos

Wer an Rio denkt, dem fallen sofort Sonne, Strand und Samba ein. Der denkt an entspannten Urlaub, Abschalten und das süße Nichtstun, und eher weniger ans Wandern. Der denkt aber auch an die Morros, die kegelförmigen Granitfelsen, die Rios Küste säumen und in Buchten mit traumhaften Sandstränden unterteilen.

Die Morros sind Ausläufer der Serra do Mar, einem 1.500 km langen Gebirgszug im Südosten Brasiliens, der parallel zur atlantischen Ozeanküste verläuft. Von den Morros aus kann man die schönsten Aussichten über Rio erhaschen. Die beiden bekanntesten sind zweifellos  Zuckerhut und Corcovado, auf dem Christus seine Arme ausbreitet und über die Stadt blickt. Beide sind für Besucher einfach zu bezwingen. Die Christus-Statue erreicht man bequem über die Corcovado-Bergbahn, eine Zahnradbahn. Auf den Zuckerhut gelangt man mit dem Bondinho, einer Drahtseilbahn.

Mehr als Zuckerhut und Corcovado

Die übrigen Morros sind nicht ganz so einfach zu erklimmen und die meisten Aussichten muss man sich durch Wandern erst verdienen.
Eine der imposantesten Felsformationen ist der Morro Dois Irmãos im südlichen Stadtteil Leblon, gelegen zwischen der Favela do Vidigal und Favela Rocinha. Der "Zwei Brüder-Felsen", wie er aufgrund seiner Form genannt wird, entfaltet besonders im Sonnenuntergang seine ganze Magie. Aus der Ferne, von den Stränden von Ipanema und der Copacabana aus betrachtet, zeigt sich ein beeindruckendes Spiel aus Licht, Schatten und Farben.

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Nicht der höchste, aber mit perfektem Panoramablick und gut zum Wandern

Mit einer Höhe von 533 m ist der Morro Dois Irmãos höher als der Zuckerhut (395 m), jedoch niedriger als der Corcovado (704 m). Die Aussicht, die man nach einer Wanderung auf den Gipfel der Dois Irmãos genießen kann, ist aber nicht weniger imposant. Und sie  entschädigt für den mühsamen Aufstieg allemal.
In Rio werden Wandertouren auf die Felsen inzwischen auch für ausländische Touristen angeboten, meist verbunden mit einer Besichtigung der angrenzenden Favelas. Letzteres ist erst seit der Befriedung dieser Siedlungen im Jahr 2011 wirklich sicher möglich. Das ist mit ein Grund dafür, dass organisierte Touren bisher nur schwierig durchzuführen waren.
Ausgangspunkt der Wandertour ist in der Regel die Favela Vidigal, da man von hier verhältnismäßig nah an den Gipfel heran kommt. Der Vidigal an sich war einst eines der gefährlichsten Favelas von Rio. Heute mutiert es immer mehr zum In-Viertel für (Street Art) Künstler, Musiker und bietet bereits ein gutes Angebot an Hostels.

Mit dem Moto Taxi durch den Vidigal

Wer außerhalb des Viertels seine Zelte aufgeschlagen hat, gelangt mit Autos oder Mikrobussen bis zum Eingang der Favela – und hier beginnt die eigentliche und abenteuerliche Tour. Mit einem Motorradtaxi (moto taxi) fährt man durch die engen und verwinkelten Gassen bis hinauf zum oberen Ende. Allein für diese rasante Erfahrung lohnt sich die Tour bereits, und der Adrenalinspiegel ist auf perfektem Niveau für die anschließende Tour zu Fuß.

Wandern durch den Regenwald

Vom Vidigal aus gelangt man über einen steilen Pfad in 1,5 - 2 Stunden zum Ziel. Der Wanderweg führt durch den Nationalpark Tijuca, ein knapp 40 km2 großes Urwaldgebiet. Er wurde 1961 geschaffen, um dem ursprünglichen, aber durch Kaffeeplantagen zerstörten Atlantischen Regenwald (Mata Atlântica) wieder einen Raum zu geben. Die Flora und Fauna in diesem Gebiet ist einzigartig und beheimatet eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren, die sonst nirgends mehr anzutreffen sind.

Auf dem “großen Bruder” angekommen

Auf dem Gipfel des größeren der Zwei Brüder angekommen bietet sich ein grandioser Ausblick über den Tijuca-Nationalpark, Rocinha und Vidigal, die Lagune Rodrigo de Freitas und die Strände in den südlichen Stadtteilen (Zona Sul). Es ist ein etwas anderes Panorama, als sich zum Beispiel vom Zuckerhut vor einem öffnet. Man sieht weiter in den Westen der Stadt, und die Christus-Statue aus einer anderen Perspektive... Wenig verwunderlich, dass die Dois Irmãos sowohl den großen Chico Buarque als auch Marina Lima zu emotionalen Liedern inspiriert haben.

Zurück durch die Favela

Der Abstieg erfolgt auf dem selben Weg wie der Aufstieg, und lädt dazu ein, durch die Favela Vidigal zu wandern und sie näher kennen zu lernen. Läuft man die Strecke, die zuvor mit dem Moto Taxi überwunden hat, kann man sich in den Gassen verlieren und zwischendurch den schönen Blick über die Stadt genießen.

Die gesamte Tour beansprucht gute 4-5 Stunden und ist im Programm verschiedener Anbieter zu finden. Unter anderem bei “Trilha Dois Irmaos”, geleitet von Ana Lima, einer im Vidigal aufgewachsenen Brasilianerin, die daher mit ausgezeichneten Ortskenntnissen aufwarten kann:

Trilhadoisirmaos

Leben in Favelas - Willkommen in der Realität

Favela da Rocinha in Rio de Janeiro

Touristen bummeln durch Slums von Rio?

Leben in Favelas
Willkommen in der Realität

Beim ersten Anblick besteht Rio de Janeiro nur aus Ipanema und Copacabana, aus Strand und Samba. Doch nicht weit der langen Traumstrände zeigt die Großstadt sein hartes und trauriges Gesicht.

Was sind eigentlich Favelas?

In den Außenbezirken der Metropole und an den Hängen über den Stränden wohnen tausende Einwohner in illegal errichteten, einfachen Siedlungen. Es sind die Favelas. Diese Armenviertel und die „normalen“ Viertel sind wie vollkommene Kollision von zwei verschiedenen Welten. Infrastruktur, Bildung, medizinische Versorgung und die meisten Dinge des täglichen Lebens in Favelas befinden sich in einem schlechten Zustand. Viele Bewohner haben kein fließendes Wasser und benutzen Gemeinschaftstoiletten. Die meisten Menschen hier sind nicht offiziell angemeldet und besitzen keine Staatsbürgerschaft sowie verfügen nicht über legalen Grundbesitz und dürfen die damit einhergehenden Vorteile wie das Gesundheitswesen nicht in Anspruch nehmen. In den Favelas von Rio gibt es keine Gesetzte außer die Rechte der Drogenhändler, die die meisten Armensiedlungen kontrollieren. Gewalt und Maschinenpistolen sind an der Tagesordnung, und obwohl man hier nicht hungern muss und ein Dach über den Kopf hat, werden jede Woche Menschen in den Straßen der Favelas umgebracht.

Befriedung von Favelas

Blutige Morde, Drogenbanden - wahrscheinlich kaum ein anderer Ort repräsentiert mehr Armut, Elend, Gewalt und Drogen in Südamerika als die Favelas, die bisher oft von Drogengangs beherrscht wurden. Die brasilianische Militärpolizei hat als dauerhafte Präsenz des Staates Spezialeinheiten zusammengestellt, um die Armenviertel zu befrieden, sie von den Drogenbanden zurückzuerobern und in die Gesellschaft zu integrieren. Seit 2008 stationieren in den Favelas von Rio de Janeiro 36 der „Friedenschaffenden Polizeieinheiten“ (UPP - Unidade de Polícia Pacificadora).

Im November 2011 wurde die Siedlung Rocinha befriedet. Die Polizei hat vor der Aktion eine Erklärung abgeben zusammen mit der Warnung, dass im Viertel alle Drogen beschlagnahmt werden. Einige Wochen später rollte die Polizei mit Panzern ein und besetzte das Gebiet der Rocinha. Diese abenteuerlich wirkende Befriedung fand bei großen Anklang in vielen weiteren Favelas statt. Leider ziehen sich die Drogenhändler dann jedoch nur in andere Armenviertel zurück und setzen ihre brutalen Praktiken fort. Obendrein werfen Kritiker dem Staat vor, dass die bisher besetzten Favelas in Rio entweder mitten in der wohlhabenden Südzone und an Stränden oder in der Nähe strategisch wichtiger Orte wie Flughafen, Fußballstadion oder dem Hauptbahnhof liegen.

Erkundung von Favelas

Rocinha ist die zweitgrößte Favela in Südamerika, mit einer Bevölkerung von bis zu einer Million. Offiziell hat sie ca. 70.000 Einwohner doch es ist unmöglich genau einzuschätzen, weil die Bewohner der Favelas offiziell nicht angemeldet sind. In Rio de Janeiro existieren mehrere Gebiete, in denen verschiedene Armenviertel sich so stark vergrößerten sind, dass sie mittlerweile riesige geschlossene Gefüge von Siedlungen bilden, die von außen nur noch als eine einzige Favela erkennbar sind. Zum Beispiel die Complexos da Maré und do Alemão im nördlichen Teil von Rio de Janeiro nehmen bei extrem dichter Bebauung jeweils bis zur dreifachen Fläche der Rocinha ein. Man zählt in der Metropole 1.000 Favelas. 22 Prozent der Einwohner, fast ein Viertel der Stadtbevölkerung, lebt in Armenvierteln.

Es ist sehr schwer, Favelas von Rio de Janeiro zu erforschen. Aber inzwischen gibt es auch Teams aus jungen internetaffinen Bewohner der Armenviertel, die an Kartierung von Favelas arbeiten. In einem kurzen Workshop lernen sie, wie man mit dem Handy Fotos und Videos aufnimmt sowie mit einer App umgeht, mit der später Fotos und Informationen verortet werden. Mit Initiativen wie „Tá no mapa“ („Es ist auf der Karte“) oder „Wikimapia“ haben sie eine virtuelle Karte ihrer Siedlung erstellt, die einen Überblick über Straßen, Sehenswürdigkeiten, Kirchen, Krankenhäuser, Schulen, Bushaltestellen, Restaurants, Bars, und Läden in Favelas verschaffen. Dieser virtuelle Stadtplan dient als Existenzbeweis, weil bisher die Favelas als Schandflecken von den offiziellen Stadtkarten von Rio de Janeiro verbannt wurden, sogar von Google Maps. Als Google die Armenviertel plötzlich anzeigte, war das für viele ein Schock: auf der Karte von Rio tauchten überall Favelas auf und lenkten optisch von den bekannten Stadtvierteln und Sehenswürdigkeiten wie Zuckerhut oder Christusstatue ab. Aus diesem Grund agitierte die städtische Tourismusagentur dagegen und setzte durch, dass der Begriff „Favela“ größtenteils von Google Maps gelöscht wird. Die meisten Armensiedlungen werden lediglich mit ihrem Namen angezeigt, oder mit dem Begriff Morro(Hügel) davor. Morro ist zwar ein brasilianisches Synonym für Favela, wird aber kaum von Ausländern verstanden.

Leben in Favelas

Die Lebensqualität gestaltet sich in den einzelnen Favelas durchaus unterschiedlich und man lebt nicht ausschließlich in Wellblechhütten, sondern in echten Häusern, die je nach Familienzuwachs aufeinander gebaut werden. Die neuen Häuser werden jedoch oftmals an unbefestigten Hängen errichtetet und jährlich gibt es in Favelas von Rio de Janeiro bei mehreren Erdrutschen und Hauseinstürzen infolge starker Regenfälle mehr als 100 Todesfälle. Die Straßen sind wirr angeordnet und an den Straßenseiten wird von lebenden Tieren bis hin zu billigen Uhren alles verkauft. Doch es gibt auch richtige Unternehmen - allein in der Rocinha 6.000 Geschäfte und kleine Firmen. Die Einwohner der Favelas haben sich nämlich ihre eigenen internen Strukturen aufgebaut - mit Haarsalons, Internetcafés, Läden, Restaurants und Bars. Die kleinen Unternehmen müssen sich erst daran gewöhnen, jetzt Steuern zu zahlen. Die Zeit, während der Bewohner der Armenviertel sich ohne Dienstleistungen vom Staat alles irgendwie organisieren musste, geht in vielen Favelas zu Ende. Jetzt sollen Infrastrukturmaßnahmen sowie Bildungs-, Sport- und Kulturangebote den Umschwung in den Favelas bringen.

Slums von Rio als Touristenattraktion

Favela als Touristenziel

Inzwischen werden auch Touristentouren in Favelas von Rio organisiert. Sie bieten die Möglichkeit an, Brasilien wirklich hautnah zu erleben und einen respektvollen Einblick in das Leben in den Armenviertel zu werfen, den man nicht wie „arme Leute anschauen“ aus Neugier und Abenteuerlust empfindet. Möchte man sich für eine solche Tour entscheiden, sollte man Angebote nutzen, die mit ihren Einnahmen die gemeinnützige Organisation Para Ti unterstützen. Dadurch erhalten die Kinder aus den Favelas mindestens eine warme Speise täglich und können sich unbeschwert ihren Beschäftigungen widmen: in die Schule gehen sowie spielen, lachen und herumalbern. Auch Rocinha ist zum beliebten Touristenziel in Rio de Janeiro geworden. Von privaten Besuchen in die Favelas wird aber durch das Auswärtige Amt abgeraten. Die Favelas sollten ausschließlich in Form von geführten Touren zusammen mit Ortskundigen besucht werden.