Sanfte Bossa Nova-Klänge und das "Girl von Ipanema"
Sonne, Samba, Bossa Nova
Rio de Janeiro ist Synonym für ein entspanntes und
gleichzeitig intensives Lebensgefühl
Rio de Janeiro zieht seit jeher Besucher aus aller Welt magisch in seinen Bann.
Was die Faszination der Metropole am Zuckerhut ausmacht ist nicht nur die Assoziation von Sonne, Strand und Fußball. Rio steht vor allem für ein einzigartiges Lebensgefühl, das sich am Besten als eine Kombination aus Musik und intensiven Emotionen beschreiben lässt. Dieses Gefühl findet seinen direkten Ausdruck in den zwei bekanntesten und gleichzeitig sehr konträren Musikrichtungen Brasiliens: Samba - temperamentvoll und rhythmusbetont als Erbe der afrikanischen Musiktradition, die vor Jahrhunderten mit den Sklaven nach Brasilien gelangte und bis heute den Pulsschlag der Cariocas bestimmt und der daraus weiterentwickelte wesentlich melodiösere, mit weichen Elementen verwobene Bossa Nova - ein Synonym für Sehnsucht und Melancholie.
Bossa Nova - die melancholische Seele Brasiliens
Der oder die Bossa Nova - über den korrekten Artikel streiten sich die Geister bis heute - bedeutet übersetzt soviel wie "Neue Welle". Der Begriff steht für eine nachträglich auch als "Musikrevolution der leisen Töne" bezeichnete Künstlerbewegung der intellektuellen brasilianischen Mittelschicht, die ihre Anfänge in den späten 50-er Jahre hatte und deren Erfolgskurs etwa eine Dekade lang anhielt. Die musikalische Leichtigkeit des Bossa Nova spiegelt zweifelsohne den damaligen Zeitgeist wider: Eine Atmosphäre geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung und von bedeutenden Ereignissen wie den Siegen der brasilianischen Fußballmannschaft bei den Weltmeisterschaften 1958 und 1962, die Optimismus und Zuversicht verbreiteten. Der nachhaltige Einfluss des Bossa Nova auf die Entwicklung verschiedener Musikgenres wie Jazz oder Schlager ist unbestritten.
Antônio Carlos Jobim, João Gilberto, Ipanema und die "Geburt" des Bossa Nova
Um die Entstehung des Bossa Nova ranken sich zahlreiche Legenden.
In einem Punkt sind sich jedoch alle Liebhaber brasilianischer Musik einig: Zu den ganz großen Namen zählt der Komponist und Musiker Antônio Carlos Jobim, ein berühmter Sohn Rios, der seine Kindheit im legendären Viertel Ipanema verbrachte. Als Meilenstein in der Geschichte des Bossa Nova gilt Jobims Begegnung mit dem Musiker João Gilberto, einem ursprünglich aus einem Dorf in Bahía stammenden Gitarristen, der nach Rio gekommen war, weil er sich dort ein Leben nach dem Motto "Champagner, Frauen und Musik" erhoffte. Für ihn schrieb Jobim 1958 den Song "Chega de Saudade", was - so paradox es klingen mag - so viel wie "Nie wieder Sehnsucht" heißt - und der Bossa Nova war erfunden.
Der erste große Erfolg des Bossa Nova stellte sich ein Jahr später mit dem Fillm Orfeu Negro ein, der 1959 einen Oscar und die goldene Palme in Cannes gewann. Die Titelsongs A Felicidade und Manha de Carnaval wurden mit die bekanntesten Klassiker des Bossa Nova und verhalfen der brasilianischen Musik zu internationaler Bekanntheit. Der ultimative Durchbruch der neuen Musikrichtung gelang jedoch erst mit dem Song "The girl from Ipanema" ("Garota de Ipanema"), der 1964 mit Astrud Gilberto und dem amerikanischen Saxophonisten Stan Getz zum Welthit wurde.
Oft kopiert - selten erreicht. Laut Statistiken ist das "Girl from Ipanema" das am zweithäufigsten aufgenommene Stück der Welt nach Yesterday von den Beatles. Im Laufe der vergangenen 50 Jahre wurde der Song von über 170 unterschiedlichsten Künstlern gecovert. Die Bandbreite reicht von Frank Sinatra über Louis Amstrong und Ella Fitzgerald bis hin zu Madonna und Amy Winehouse.
"Schuld war nur der Bossa Nova"
So hieß der Titel eines deutschen Schlagers der 60-er Jahre.
Bossa Nova-Fans haben sich sicher schon oft gefragt: Gab es das berühmte "Girl from Ipanema" jemals? Wer war die inspirierende Schönheit und was ist aus ihr geworden? Die erste Antwort lautet "ja". Das Mädchen gab es tatsächlich. Der Name der Bossa Nova-Muse ist Helô Pinheiro. Die damals 19-jährige war auf dem Weg, Zigaretten für Ihre Mutter zu besorgen und spazierte vorbei an der Bar Veloso. Dort saßen zufällig gerade der Komponist Antônio Carlos Jobim und der Dichter Vinícius de Moraes, die vom Anblick des Mädchens so angetan waren, dass sie dort - so sagt die Legende - spontan Musik und Text für ihren Song zu Papier brachten. Auch wenn sie natürlich nicht spontan in der Bar, sondern in wochenlanger Arbeit zu Hause an ihrem Stück schrieben, hält sich das romantische Gerücht von der Bar Veloso hartnäckig - und die Freunde des Bossa Nova würden es nur sehr schweren Herzens korrigieren...
Dieser Zufall hat das Leben von Helô geprägt. Die Lehrerin und Mutter von vier Kindern, inzwischen über 70 Jahre, arbeitete später als Modell, bekam hochdotierte Angebote für Werbeaufnahmen und Talkshows, führte erfolgreich eine Boutique mit dem Namen des Songtitels und ernährte so über 20 Jahre ihre Familie.
Tipp für Bossa Nova Freunde
Die aktuelle Bossa Nova-Szene, die sich zwischenzeitlich mit Reggae, Hiphop und anderen Stilen vermischt hat, konzentriert sich heute eher in der Gegend um die Copacabana herum als in Ipanema. Derzeit gilt die Vinícius Bar (Rua Vinícus de Moraes 39 - Ipanema - Rio de Janeiro Becodasgarrafas) als das bekannteste Lokal in Rio de Janeiro, das täglich Bossa Nova Live Musik bietet.